Wettbewerbsbeitrag Schweizer Pavillon, Venedig

Architektur
Benedikt Boucsein, Jessica Bridger, Krispin Heé, Axel Humpert, Esther Mathis, Tim Seidel
Zeitraum Wettbewerb
2017

„Afield – In der Ferne“

In Relation zur ihrer geografischen Ausdehnung und Einwohnerzahl ist der globale Einfluss der Schweiz erstaunlich gross: Wirtschaftlich und kulturell, aber auch diplomatisch wirkt das Land weit über sein physisches Territorium hinaus. Als Nicht-EU-Land inmitten der Europäischen Union und mit der Neutralität als einem der wichtigsten Grundsätze des Landes nimmt die Schweiz eine Sonderstellung ein. Trotz oder gerade aufgrund dieser Eigenständigkeit ist sie stark in das internationale System integriert.

Diese Sonderstellung spiegelt sich auch im «Exportgut» Architektur wieder. Mit zwei Pritzkerpreisen, zahlreichen renommierten Architekturbüros, deren Dependancen im Ausland sowie mit Schweizer Architektinnen und Architekten an einflussreichen Hochschulen im In- und Ausland ist die Schweiz ein wichtiger Impulsgeber der internationalen Architekturszene.

Der Einfluss des Landes auf die globale Bautätigkeit begründet sich allerdings nicht nur auf diese relativ begrenzte Fachwelt. Die Schweiz weist auch eine in diesem Zusammenhang bisher wenig beachtete politische, finanzielle und materielle Vernetzung im internationalen Kontext auf. Denn über Firmen wie LafargeHolcim (Zement), Schindler (Transportlösungen), SwissRe (Versicherung von Bau- und Infrastrukturprojekten) und Swissport (weltgrösste Servicegesellschaft von Flughäfen) beeinflusst die Schweiz die Produktion der gebauten Umwelt ausserhalb ihres Territoriums. Hinzu kommen Investitionsflüsse, z.B. von Pensionskassengeldern, sowie die Präsenz von NGO’s und internationalen Organisationen wie der UNO im Land.

Der Beitrag «Afield» richtet den Blick auf diesen exterritorialen Fussabdruck. Ausgangshypothese des Beitrags ist, dass aus dieser Perspektive ein Portrait des Landes und seiner Baukultur gezeichnet werden kann, das vielschichtiger und aussagekräftiger ist, als dies eine «Nabelschau» innerhalb der Landesgrenzen wäre. Damit bezieht sich der Beitrag auch auf die Themensetzung der Biennale-Kuratorinnen Yvonne Farrell und Shelley McNamara, die Territorium und Landschaft stärker in den Fokus der Betrachtung rücken wollen. Zugleich ist der Beitrag auch Ausdruck des Vernetztseins unserer Welt, in einer Zeit, in der nationale Grenzen und potenzielle Mauern um diese herum wieder stärker diskutiert werden.

Im Zentrum des Beitrags steht eine Reihe von konkreten Bauprojekten auf fünf Kontinenten, die über Akteure, Finanzströme, Firmen, kulturelle Akteure und Architekturbüros mit der Schweizer Bauwirtschaft verbunden sind. Dazu gehören bekannte Projekte, aber auch Bauten und Infrastrukturprojekte des internationalen «Business». Die ausgewählten Projekte werden anhand von Artefakten wie Plänen, Modellen, Bauteilen und weiteren Fundstücken illustriert. Präsentiert werden die Projekte in einem Environment, in dessen Informationsfülle Besucherinnen und Besucher eintauchen können. Die Exponate können selbstständig, aber auch mit Hilfe von «Narrativen» im Ohr entdeckt werden. Die Narrative werden anhand von Finanzströmen, Materialien, Wissen und Personen erzählt.

Die Ausstellung gliedert sich in fünf szenografisch unterschiedene Bereiche, die jeweils durch ein grosses, lineares raumbildendes Element strukturiert werden. Das Environment im Gemäldesaal (1) mit seiner Informationsfülle bildet den Auftakt der Ausstellung und konfrontiert die Besucherin direkt mit der Thematik. Auf Bildschirmen im abgedunkelten Grafikkabinett (2) wird die Recherche des Teams bei den Projekten vor Ort dokumentiert. Im Skulpturensaal (3) wird ein Regal mit Büchern eingerichtet, die die Schweizer Baukultur im Ausland thematisieren. Im Garten (4) werden Informationen zur internationalen Vernetzung der Schweiz auf einer grossen, reliefierten Weltkarte dargestellt. Das Vordach zum Garten schliesslich wird von einer begehbaren, leichten Plattform gespiegelt (5), die Ausblick über die Giardini bietet. Hier bietet sich als Abschluss die visuelle Verbindung zu den Länderpavillons, ein Panoramaschild illustriert die zahlreichen Verknüpfungen. Über eine Aussentreppe kann der Pavillon wieder verlassen werden.